einen guten nachmittag,

Es ist schon wieder einige jahre her, das ich in einer stadtratsitzung unerwartet gefragt wurde, weshalb ich immer eine schwarze mütze auf habe. In dem moment war ich so überrascht, das ich keine antwort parat hatte. jetzt, fast sechs jahre später, nun die erklärung.

Im mai 1967 wurde ich von verwandten eingeladen, die vor einigen jahren nach israel emigriert waren. mein ein jahr älterer cousin und ich waren sandkastenfreunde und die familie dachte, das es eine schöne gelegenheit wäre, einander mal wiederzusehen und gemeinsam unsere Bar Mizwa zu feiern. gerade in tel aviv angekommen kriegte ich mein erste keppel oder kippa, so eine kleine mütze die dazu gedacht ist das jüdische männer sie nach ihrer Bar Mizwa tragen, so etwas wie die
jugendweihe oder konformation für jüdische jugendliche.

Diese erste echte konfrontation mit meinen jüdischen wurzeln wurde noch durch einen krieg verstärkt, der gleich einige tagen später über Israel losbrach - auch der kibbuz auf golan, wo ich logierte wurde angegriffen von jordanischen Migs.… Zuhause wurde ich eher christlich erzogen, mit sehr freier evangelischer prägung. mein opa war evangelischer pfarrer, aber ich kannte mein opa nur aus geschichten. er wurde 1944 als verstorben gemeldet - in buchenwald. die gestapo hatte
herausgefunden das sein ur-opa rabbi war.

Aber was begreift mensch als kind, das dort wo Dusterland liegt und das dort lager waren und das fast alle meine onkel und tanten dort hingebracht wurden und der größte teil nie zurückgekehrt war. Ich kannte sie nur aus jugendgeschichten. oder aus geschichten derer die zurückgekehrt waren. aber die erzählten nur lustige geschichten, so als ob sie dort in einem ferienlager gewesen wären, mit theater, gesang, musik und vielen witzen.

Ja ich lernte dusterland auf andere art kennen. Bergen-Belsen - onkel Adri, Buchenwald - mein eine opa, Ravensbrück – sein frau, meine oma, Dachau – zwei meiner onkel und viel später kannte ich ihre namen von stolpersteinen, die auch in den Niederlanden verlegt wurden.

Die größte witz in unsere familie war immer das die Gestapo meinen vater erst nicht haben wollte, weil sie nicht glauben konnten das ein jude Frederik Wilhelm Adolf heißen könnte. übrigens, die Nazi, mit ihre Rassenlere, hatte beschlossen das die familie meines vaters und mutter juden waren, ihnen selber war das damals überhaupt nicht bewußt.

Mein vater hat auch immer komische geschichten erzählt, über seine zeit im krieg. wie er immer zu schnell für die Gestapo und ihre vielen niederländischen helfer war, aber das er am ende auch in ein versteck gehen musste, weil die hälfte seiner widerstandsgruppe schon verhaftet worden war.

Seine rettung war damals auch, das er pazifist war. wenn er auf der straße angesprochen wurde, ob er eine waffe gebrauchen könnte, antwortete er ganz ehrlich das er dafür keine verwendung hätte. die niederländischen nazigeheimagenten waren so überrascht das sie ihn laufen ließen. Später in Israel und nach dem tod meines vaters mit 53, damals war ich gerade mal 17, habe ich dann wesentlich mehr erfahren über die camps und über das was mein vater im krieg gemacht hat.

Ich bin stolz auf meinen vater, er war ein widerstandsheld, aber das wichtigste was ich von ihm gelernt habe hatte weniger mit widerstand zu tun. Nach dem krieg war alles was aus dem osten kam „aus mofrika“, so wie deutschland damals noch genannt wurde, dort wo die „moffen“ wohnen. moff ist niederlädisch für muff, das was die wehrmachtsoldaten dabei hatten. erst unser Niederländisches
schimpfwort für die wehrmacht, später für alles was deutsch war.

Mein vater reagierte immer allergisch wenn jemand das schimpfwort benutzte oder über Deutsche schimpfte, er war der meinung das es keinen sinn hat den krieg weiter zu führen.

und dazu ...
..die niederländer waren im krieg viel effizienter im verraten und verschleppen von menschen die die Nazis nicht haben wollten. unser schönes niederlande, weltweit bekannt für die oft gelobte toleranz, war das betrifft eines der schlimmsten länder europas.

Wenn mein vater das erzählte war ich erst einmal sprachlos und voller fragen. in der schule hatte ich gelernt das wir, die Niederländer, die guten waren. und sie, die Deutschen, die schlechten. das war einfach. aber jetzt erzählte mein vater das auch die guten schlecht sein können und das nicht alle schlechten wirklich schlecht sind, es gibt auch gute bei den schlechten.

Weg auch der traum von schwarz und weiß, was gut und was schlecht war. es hatte nichts zu tun mit nationalität, mit rasse oder farbe und nichts mit glauben und selbst nicht alle männer oder alle frauen waren gut oder schlecht.

ok, an den verschiedenen grenzen Deutschlands gab es zöllner die kurz alle klischees von moffen und mofrika wieder lebendig machten und bei umwelt- und friedensaktionen in den 70igern und späten 80iger jahren tat auch die polizei ihr bestes, aber andersherum waren unsere eigenen zöllner und polizisten auch nicht viel besser.

Bei die friedens- und anti-atom-aktionen wurde es deshalb standard die polizei mit „nazis raus“ zu begrüßen. was eigentlich nicht korrekt ist, denn selbst wenn auch jetzt wieder einige polizisten und militärs deutlich organisationen anhängen die mit demokratie und toleranz kaum etwas zu tun haben, sind nazis etwas anderes. Nazis waren die die z.b. dieses aussenlager Röderhof des frauen-kz ravensbrück gebaut und betrieben haben. wo menschen mit einer anderen meinung, sexuellen oder sozialen vorlieben, anderem glauben oder anderer farbe einfach fließbandmäßig ermordet wurden.

In diesem lager passierte das hauptsachlich durch schwere körperliche arbeit, stundenlange appelle in der kälte, hier auf diesem platz und am ende durch einen todesmarsch der letzten noch transportfähigen frauen. Bei den Nazis war es klar wer die guten und wer die schlechten waren und die schlechten hatten kein recht auf leben.

Die welt aufzuteilen in die guten und die schlechten ist ein einfaches weltbild, wenn du zu den guten gehörst, was meistens für die der fall ist, die die welt so einteilen - schuldig sind immer die anderen. Es wird ein stück komplizierter wenn mensch so ein weiß-schwarz-bild verwirft. oder sich verirrt zwischen die fronten von gut und böse. sehr stark habe ich das in den letzten balkankriegen erfahren, die ich vor ort in jugoslawien, später kroatien, bosnien und serbien miterlebt habe.

Zwischen den fronten, zwischen serben, kroaten oder bosniern, zwischen katholiken, orthodoxen und muslimen... da war ich ganz bewusst der Jude, einer von der gruppe die die faschistische schattenregierungen damals zum Nazizeiten fast ausgerottet hatten. kroatische Ustascha, serbische Chetniks und albanische SS Skanderbeg brigade, hatten etwas gegen alles was nicht in ihre gruppe passte. und ja, die Juden und auch die Roma passten natürlich wieder überhaupt nicht dahin, obwohl sie dort schon seit jahrhunderten wohnten und schon verschiedene progromen überlebt hatte. Aber das war damals…

Als Jude war ich kein teil der neuen kriege.

„Sorry, was unsere väter, brüder und ehemänner gemacht haben mit deine Familie,
mit dein Volk, aber gerade du wirst begreifen das wir uns verteidigen mussten.“ ich gehörte nicht zur breiten front (war nicht West Europeisch Christlich wie die katholische Kroaten, oder Ost Europeisch Christlich wie die Orthodoxe Serben, oder Muslim wie die Bosnier), war irgendwie neutral. deshalb wurde mir auf jeder der seiten erklärt das sie die guten waren und die andere seite logischerweise die schlechten.

Sie erzählten mir uralte geschichten die erklären würden das ihre seite schon immer die guten waren und die andere seite... schon immer die schlechten. Und dann lief ich wieder über die frontlinie und glaubt es oder nicht, dort erzählten sie mir dieselbe geschichten, aber genau andersherum.

Und hinter der dritten frontlinie erzählten sie das die anderen zwei immer wieder versuchten sie zu vernichten, aber sie seien doch nicht schuld das ihre ahnen damals muslims geworden wären, weil das im osmanischen reich einfach die vorteilhafteste religion war.

Ich würde der wahrheit aber gewalt antun wenn ich nicht zugeben würde das ich in Jugoslawien nicht auch andere, schönere tage kannte. über viele jahre hatte ich Jugoslawien regelmässig besucht, als junger freiwilliger in der internationalen arbeitsbrigade, als vertreter der niederländischen pazifistichen sozialistischen jugend …

Ich kannte viele Jugoslawen, aus verschiedenen republiken und die waren doch auch miteinander befreundet und jetzt sollte es spannungen zwischen ihnen geben? schwer zu verstehen. was war passiert mit das Jugoslawien was ich kannte?In diesem multi-kulti-staat war auf einmal nichts mehr multi, dafür um so mehr national kulti. keine serbische bohnensuppe mehr in dubrovnik aber dalmatische, kyrillisch statt latinica… Radio Beograd die dieselben nachrichten lieferten wie radio Zagreb, aber völlig umgekehrt und Yutel von tv Sarajevo, die versuchten zu zeigen das die anderen zwei nicht die wahrheit sagten.

Und im damaligen internet war der krieg zwischen den studenten schon voll entbrannt, hauptsachlich durch die in der diaspora lebenden verschiedenen Yugoslavische nationalitäten. Mehr oder weniger entstanden in einem land drei Blasen in denen den menschen völlig unterschiedliche nachrichten vorgesetzt wurden. drei voneinander völlig abgekapselte gruppen die nebeneinander im selben land lebten und trotzdem in völlig anderen realtitäten.

Wenn mensch sagen das erste opfer eines krieg ist die wahrheit - es ist noch viel schlimmer, selbst die wahrheit wußte am ende nicht mehr was wahr war. Natürlich gab es auch dort die menschen die nicht mitmachen wollten. aber die hatten es besonders schwer. das war eine kleine blase die kramphaft versuchte miteinander in kontakt zu bleiben, um nicht verrückt zu werden.

Zurück nach bad belzig, zum grünen grund. nach dieser geschichte heute erinnern wir uns hier was passiert wenn nationalismus triumphiert, wenn mensch denkt meine gruppe ist die gute und die andere die schlechte, wenn die welt weiß-schwärz wird und menschen sich eingraben in ihre eigene blase.

Und jetzt würde ich fast sagen “ ich bin stolz jude zu sein in deutschland " oder "ich bin stolz freunde zu haben in deutschland" oder "ich bin stolz freunde in deutschland zu haben, die nicht in deutschland geboren sind", denn irgendwie bin ich tatsächlich ganz froh über den langen weg den das Deutschland von damals, das dieses lager gebaut hat, gegangen ist. steinig und sicher nicht nach allen unseren wünschen, aber bedenkt das die meisten von uns hier in so einem lager gelandet wären, wenn wir damals gelebt hätten.

Und wir können richtig froh sein das wir hier heute freiwillig auf dem ehemaligen appelplatz stehen und nicht gezwungen werden. wir können selbst ein bisschen stolz darüber sein, weil es auch ein bisschen unsere arbeit war.

Natürlich ist das kein stolz weil du zufällig irgendwo geboren bist, wo diese art von stolz hinführt wissen wir, zum nationalismus und nationalismus führt auch ziemlich oft zum krieg und zu lagern wie diesem. das ist kein leichtfertige bemerkung von mir, darüber wurden millionen geschichtsbücher voll geschrieben. und die aussage bestimmter vertreter, mensch kann sagen, noch oder semi-demokratischer parteien, in dieser woche waren nicht falsch zu verstehen, „die politiker werden sich bald die zeiten zurückwünschen, wo sie die gitter nur auf unseren wahlplakaten gesehen haben.“ (der Romische Drei in ihre Partei name sieht nämlich aus wie ein Gitter). Erinnern und gedenken geht nicht ohne warnen. selbst wenn dieses land vielleicht nicht das paradies ist und viele von uns gern ganz viel dinge anders haben wollen, wir allen haben trotzdem ein menge zu verlieren.

Freiheit und demokratie kommt nicht von himmel gefallen. es sind seltsam gefühlige pflänzchen die jeden tag aufs neue betreuung und aufmerksamkeit brauchen. ein ganz deutlich beispiel dafür ist was heute los ist in unserem europa. statistisch gesehen leben wir in einer der besten zeiten die es je gegeben hat und trotzdem sieht mensch überall das alte monster von nationalismus und ausschliessen wachsen.

Sieht mensch das der glaube in poltiker und medien so verschwunden ist, das mensch alles glauben will, hauptsache es ist anders und die schuldigen sind andere.

Ich brauche euch nicht zu erzählen welche parteien mensch besser nicht wählen sollte. deshalb lasst uns die alternative aus Bad Belzig sein, die alternative zum weiss-schwarz oder blau denken. versuchen wir es mit bunt denken, um buntes leben für unsere enkelkinder zu schützen.

Ich trotz allem ziemlich hoffnungsvoll. ich glaube wir sind bunt und stark genug um wachsenden ungesunden nationalismus zu überleben, wenn wir nicht in unserer eigenen blase hängen bleiben.

Auch meine familie in Israel akzeptiert mittlerweile das ich in Deutschland wohne, das war mal anders. und mein sandkastecousine fängt sogar an über sein armeezeit nachzudenken. und der kommandant der jordanischen migs, damals über unserem kibbuz - seinen sohn lernte ich als un friedensoldat in Kroatien kennen und bei seinem papa bin ich auf besuch gegangen.

Ja und die mutze hat irgendwann mal mein keppelchen ersetz, irgendwie so… in die sinne sjalom, salam, friede mit euch....