Vor einigen Tagen besuchte eine ehemals von den Nazis aus Frankreich verschleppte Frau die Kreisstadt. Sie kam im PKW und ihrem Gatten, einem Arzt aus der Bretagne, um ihn an die Stelle im Röderhof zu führen, wo sie 1944 und 1945 als damals 18jährige für die Faschisten arbeiten mußte.

Leider konnte der überraschende Besuch nicht vom Bürgermeister persönlich empfangen werden, da sich Genosse Gerhard Dorbritz im Urlaub befindet. Kollege Georg Hoppe, seine lange zurückliegenden Kenntnisse im Französischen auffrischend, begleitete das Ehepaar durch Belzig.

Auf dem Röderhof erklärte sie ihrem Manne, wie es damals ausgesehen hatte. Ihre erste Frage an den Kollegen Hoppe war, wo die Gräber von denen sind, die damals von den Faschisten zu Tode gehetzt wurden. Sie fuhren deshalb zum Gertraudenfriedhof in die Stadt. Lange hielt sich das Ehepaar dort auf.

Beim Abschied bat die Frau darum, ihr einige Ansichtskarten nach Frankreich zu schicken. Sie sagte, daß sie etwa in 5 Jahren mit ihren drei Söhnen noch einmal Belzig besuchen wolle. Auch ihre Kinder wollen die Stätte sehen, wo ihre Mutter einst geschunden wurde, und von der ruhmreichen Sowjetunion befreit wurde, gleich vieler anderer, damit auch ihre Söhne dafür sind, daß sich nie mehr gleiches oder ähnliches wiederholt, sondern der Krieg ein für alle Mal aus der Menschheitsgeschichte verschwunden ist.

Heinz Niendorf


Quelle: Kreisarchiv Potsdam-Mittelmark, Zeitungsarchiv, Märkische Volksstimme, Donnerstag, 27. Juni 1963